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A heap of broken light
Ein Künstlerbuch, 2023

24 x 30 cm, 96 Seiten, Tritonedruck in Tiefschwarz, Pantone Cool Gray 11 U and Rehm-Grau auf Munken Pure

ISBN 978-3-00-074544-7

  • A heap of broken light, frontcover
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Eine Reise in das Schwarz-Weiß der Bilder
A painting is not a picture of an experience; it is an experience. (Mark Rothko)

Wo sind wir hier? In einer Wüste? Auf einem Gletscher? Jedenfalls in menschenleeren Landschaften, die kaum Anhaltspunkte bieten, wie sich Größen und Entfernungen verhalten. Fließt etwas oder ist es spiegelndes Eis? Sind es kleine Schutthaufen oder ganze Gebirgswände? Auch die Materialität dessen, was wir hier sehen, ist nicht immer und vor allem nicht auf den ersten Blick eindeutig. Bizarre dunkle Formen zerteilen das Bildgeviert. Manch schwarze Stelle im Bild scheint den Betrachter schier aufzusaugen. Manch helles Weiß blendet im Kontrast zum Dunkel geradezu. Christof Rehm hat die Sujets der hier vorliegenden Bilder schon vor langer Zeit für sich entdeckt. 2016 näherte er sich ihnen erneut an und 2021 schloss er dies fürs erste mit einer gezielten Fotokampagne ab, um eine neue Serie von Fotografien fertigzustellen.

Island ist eine magische Insel und war das Ziel dieser Reisen. Das Innerste der Erde tritt hier täglich zu Tage und formt die Gestalt der Oberflächen. Das Wetter des Polarkreises und das Meer verformen das daraus Entstandene mit der Zeit auf ganz eigenartige Weise. Heute zieht die Insel Heerscharen von Touristen an, so dass das Naturerlebnis relativiert wird. Seit Jahrzehnten kommen aber auch Künstler nach Island, lassen sich von der Eigenart der Insel begeistern und inspirieren. Und schon lange bringt die überschaubare Zahl der Isländer nicht nur Fischer hervor, sondern in Relation zur Gesamtzahl der Bevölkerung erstaunlich viele Schriftsteller und Künstler. Das Leben – ausgesetzt den Kräften der Natur – im extremen Wechsel der Jahreszeiten direkt am arktischen Polarkreis scheint besonders inspirierend zu sein.

Die Bilder im vorliegenden Buch bieten aber keine Reisereportage von der Insel und es geht nicht um Land und Leute. Es könnte überall sein und dann eben wiederum nicht, denn diese Formen, die wir da zu sehen bekommen, könnten nicht überall entstanden sein. Die Bilder waren daher nur auf Island so zu finden. Christof Rehm geht es um ihre Wirkung und nicht um ihre Herkunft. Für seine Art zu fotografieren und seine Interessen an fotografischen Bildern, erwiesen sich die Insel, ihre Strukturen und ihr Licht als besonders geeignet. Leicht hat er es sich dabei nicht gemacht. Er ist mit Großformatkamera, Stativ, dem für diese eigentlich altertümliche Technik notwendigen Equipment, und nicht zuletzt mit der passenden Wanderausrüstung mit nur einer Assistentin über die Insel gezogen, um sich unabhängig von den Hauptrouten seine Motive zu suchen. Die Bilder, die auf diese Weise entstanden, sind allein deswegen schon alles andere als spontane Eindrücke.

Aufgenommen sind die Fotos auf einem analogen, großformatigen (4 x 5 Zoll) und chemisch hochmodernen Schwarz-Weiß-Negativfilm. Sie wurden mit der Digitalisierung der Filme und der Bearbeitung der daraus resultierenden Dateien für den Druck auf Papier optimiert. Von vornherein war klar, dass für Ausstellungen zwei Bildformate ausreichen sollten, zum einen Drucke in der Größe der Filme und zum anderen wandfüllende Großformate von bis zu 153 x 214 cm, die dem Betrachter den Eindruck vermitteln können, quasi selbst in der Landschaft zu stehen. Das vielstufige Verfahren wurde gewählt, weil die vom Künstler selbst entwickelten Negative viel mehr Informationen enthalten, als eine einfache Ausbelichtung in traditionellen Entwicklungsverfahren hätte darstellen können.

Beim Entwickeln der Filme wie beim Scannen der Negative können sich zufällige Spuren einschleichen, die für Christof Rehm das Bild erweitern. So manche Lichtreflexe, Kratzer und Spuren, die man etwa dem abgelichteten Wasser zuschreiben würde, haben dabei die Aufnahmen so ergänzt, dass der Künstler sie gerne in sein Bild aufnimmt, denn sie gehören zu seiner individuellen Entstehungsgeschichte. Die Entscheidung, den gesamten Film einschließlich dem Rand der Negative mit ins Bild zu bringen, kennt man aus der Fotogeschichte. Diese Präsentationsform stand und steht dafür, zu zeigen, dass es sich um technisch hergestellte Bilder handelt und zugleich um ›künstliche‹ Objekte. Es sind nicht einfach nur Ausblicke, die wie ein Fensterausschnitt den Blick in einen anderen Raum bieten.

»A heap of broken light« ist ein Fotobuch. Die Bilder, durch die man sich hier blättern kann, gibt es in dieser Form nur in diesem Buch. Sie wurden von Christof Rehm nicht nur dafür ausgesucht und arrangiert, sondern auch speziell für den Buchdruck digital bearbeitet, der mit drei Sonderfarben ungewöhnlich aufwendig war. In den Ausstellungen, in denen er die Bilder zeigt, sind sie für andere Papiere und eine andere Drucktechnik anders bearbeitet. Dieser Aufwand erklärt sich daraus, dass für jedes Bild und jede Präsentationart eine optimale Form erreicht werden soll. Denn in jeder medialen Erscheinungsform sollen die Vielfalt der Graustufen und das tiefe Schwarz optimal wiedergegeben sein. Hat der Ausstellungsbesucher im Gegenüber der Bilder eine körperliche Relation zu den Landschaften, so hat der Leser im Buch einen sozusagen handlichen Einblick. Es wechseln hier von Seite zu Seite die Ansichten der einzelnen Aufnahmen mit Ausschnitten, die der Originalgröße der wandfüllenden Abzüge in den Ausstellungen entsprechen. Der Betrachter des Buches hat also die Möglichkeit in Teile der Bilder in Originalgröße hineinzuschauen, so wie der Ausstellungsbesucher vor die Großformate treten kann. Neben der gebotenen Übersicht über die Serie wird damit die Vielfalt an Details in den einzelnen Aufnahmen ins Blickfeld gerückt.

Und es entstehen damit neue Bilder, die man so in einer Ausstellung nicht unbedingt wahrnehmen würde. Denn gerade die gezielt gewählten doppelseitigen Ausschnitte zeigen Strukturen und Flächenverteilungen, von denen unsere Wahrnehmung noch viel mehr verwirrt werden kann als von den Sujets selbst. Immer wieder lässt es sich nicht sagen, ob die eine schwarze Fläche nun für eine große Tiefe oder das genaue Gegenteil steht. Immer wieder ist es unklar, welche Bildfläche auf welcher Raumebene liegt. Diese verwirrenden Beobachtungen macht sonst wohl nur der Künstler selbst bei der Erarbeitung der Bilder. Im Buch werden sie uns direkt vor die Augen gehalten.

Auf andere Weise als bei den Werken in einer Ausstellung sind damit Arbeiten entstanden, die durch die Lösung der Beziehung von Motiv und Abbild in eine weitere Transzendenz führen, die das Abbild der Landschaft zum Bild machen und das Bild durchlässig für die Erfahrung des ganz Anderen. Denn je nach technischer Erscheinung ergeben sich verschiedene Interpretationsmöglichkeiten der Aufnahmen, von denen man meinen könnte, sie wären mit der einmaligen Belichtung eines Films für alle Zeiten eindeutig festgehalten.

Der Künstler hat sich schon in früheren Projekten und Serien für die Erscheinungsformen – z.B. historischer Fotos von August Sander – interessiert und diese mit seinen Bildern analysiert. So sehr es bei den Bildern hier auf den ersten flüchtigen Blick um die Vermittlung eines Naturerlebnisses zu gehen schien, so geht es im Eigentlichen doch darum, darüber mühelos nachzudenken, was ein fotografisches Bild ist, was bei den technischen Prozessen seiner Entstehung passiert und wie dadurch ein Motiv zum Bild und zur Erfahrung des ganz Anderen wird.

»A heap of broken light« ist also in dem Sinne ein Fotobuch, dass die vorhandenen Fotos für den Druck in einem Buch so angeordnet und bearbeitet wurden, dass sie gemeinsam ein neues eigenes Werk werden. Es ist ein Fotobuch, indem es die Bilder so zeigt, wie der Künstler sie in Ausstellungen nicht präsentieren würde. Es handelt sich nicht um eine Dokumentation der Kampagnen auf Island und es liegt kein Ausstellungskatalog im üblichen Sinne vor, der die Exponate oder ihre Wirkung in den Ausstellungsräumen wiedergibt. In der Anfangszeit der Fotografie, als es noch gar keine Ausstellungsformen dafür gab, war das Buch sogar deren wichtigste öffentliche Erscheinungsform. Heute hat die Fotografie alle Freiheiten und kann sich immer noch in einem Buch zu einem eigenständigen Werk zusammenfinden wie in Rehms »A heap of broken light«. Daher stehen hier neben den Bildern keine erklärenden Texte, sondern Gedichte und Ausschnitte aus Dichtungen, die der Wirkung der Bilder einen sprachlichen Klang hinzufügen. So wenig die Bilder Reportage sind, so wenig sind die sprachlichen Ergänzungen Erklärungen des zu Sehenden, wie dies in einem gewöhnlichen Buch zu erwarten wäre.

Wie Mark Rothko es von Gemälden fordert, ist auch dieses Buch keine Darstellung von Erlebnissen des Künstlers. Indem vieles mehr Ahnung bleibt, als sichtbar wird, kann »A heap of broken light« in dieser Ahnung dem Lesenden selbst zum Erlebnis werden.

Essay by Dr. Andreas Strobl, Staatliche Graphische Sammlung München

Buch und Ausstellung wurden ermöglicht von

Streiner-Stiftung, MünchenStadt AugsburgArno Buchegger Stiftung
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Christof Rehm
Pavillon am Berghof
Bergstrasse 12
86199 Augsburg
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